Das Randy-Newman-Projekt in Österreich
 März 1906

 

...seit dem Sommer 2005, seit der Premiere in unserem Glashaus, gibt es das Randy-Newman-Projekt: der Österreicher George Nussbaumer, mein alter Freund und Weggefährte Manfred Maurenbrecher und ich zelebrieren Musik und Texte des Amerikaners Randy Newman in einer typischen „Duo-Aufarbeitung“ mit bearbeiteter Übersetzung, amerikanischen Original und musikalischen Ausbrüchen...

 

...und wenn du zuletzt vor etwa 15 Jahren in diesem Land warst, dann bist du natürlich gespannt auf diesen Trip, auf das Land, das Publikum, die Veränderungen...

 

Wien lernte ich erstmals kennen in den späten Siebzigern als kurzzeitiges Mitglied der damaligen österreichischen Kultband „Halluzination Company“ : der Grundkurs österreichische Küche, der „kleine Braune“ und dann natürlich der Palatschinken, und das ungeplante „Mitrauchen“ aller erdenklich rauchbaren Drogen, das passive „stoned“ sein sozusagen als Pflichtprogramm ...Omen est Nomen oder so.

 

George kam mir während unserer Deutschlandtouren irgendwie „normaler“, „unösterreichischer“ vor als etwa ein Original wie Adam Wickerl von der Company. Warum sollte auch der vielbeschworene globalisierte Verähnlichungsprozess vor der Alpenrepublik halt gemacht haben ? – Aber , unglaublich , die Berge reduzieren tatsächlich das Tempo der Global-Walze, ähnliche Probleme für Mac Donald wie für Hannibal. Und : George ist eben nicht Österreich, irgendwie anders, nicht nur aus den Augenwinkeln einer Blindheit gesehen...

 

Im voralbergischen Alberschwende verbringen wir einen freien Abend mit 3 ½ Folgen der Piefke-Saga, einer satirischen Betrachtung der deutsch-österreichischen Beziehungen in den frühen Achtzigern unter dem Vorzeichen des besonderen Piefke-Tourismus in Tirol. – Wieder so ein Film, der dich dann nicht mehr loslässt. Schnitt.

 

Ich erinnere mich an einige Tage, die ich 1997 in der Wohnung einer türkischen Musikerfamilie in Duisburg verbracht habe, um möglichst authentisch eine deutsch-türkische Musik für eine Bühnenproduktion von Renan Demirkan zu schreiben. Der eigentliche Film dieser Begegnung begann abends mit einer Szene in der Duisburger Innenstadt, wo ein mit vier türkischen Musikern, einem deutschen Gast und Unmengen unförmiger Instrumente besetzter Kleinwagen von einer Gruppe rechtsradikaler Skins mit Baseballschlägern bedroht wurde.

 Die letzte Szene dieses beeindruckenden „Brain-Movies“  nach Ausschnitten aus mehreren Türkei-Reisen und Konzerten an seltsamen, mystischen Orten spielte dann während meiner „Jasmin & Saxophon“ –Tournee 2004 mit sieben türkischen Freunden und einer ebensolchen Musik wieder in Deutschland...diesmal allerdings im edlen Konzert-Ambiente.

 

Die Piefke-Saga lebt. Tatsächlich gibt es noch den umtriebenen Wirt der „Traube“, den Lothar, der, zumindest als Ideensammlung , die grellsten Events veranstaltet, so z.B. die 12-minütige Sessellift-Fahrt zum Brückelekopf  als internationale Unterhaltungsshow, mit Popbands, Blasmusik und nackten Ski-Alpinistinnen. Und es gibt natürlich auch noch den deutschen Familientourismus, die mutigen Draufgänger, die Abfahrtsregeln und vorgegebene Strecken für so übertrieben erachten, dass sie anschließend per Rettungshubschrauber ins Spital verfrachtet werden, oder wenigstens eine Lawine losgelöst haben. (da gibt es hinterher ganz schön `was zu erzählen).

 

Als ich dann ganz alleine den besagten Sessellift benutze und in 5 m Höhe über 1500 m Bergwipfel per Handy eine Konzertanfrage für den rheinland-pfälzischen Wahlkampf erhalte, gebe ich mir redlich Mühe, diese, meine verschiedenen Filme, zu synchronisieren. Schnitt.

 

 

 

 

 

 

 

 

In der Hütte auf dem Brückelekopf sitzt Kamerad Schnürschuh (der richtige, unhochdeutsche und braungebrannt – urige Bergösterreicher) und isst Suppe mit Knödeln, die gesamte Terrasse gefüllt mit klobigen Ski-Stiefeln und einem ungläubigen Gesichtsausdruck: der Tourist (also ich) ohne Stöcker, mit normalen Schuhen, der später dann auch noch ganz einsam mit dem Lift ins Tal zurück fährt. – mit dem Lift !!!

 

Hier in dieser eindrucksvollen Idylle dann endlich das Indiz für Veränderung, die Globalisierung macht nicht ganz vor den Bergwipfeln halt, der Apfelstrudel schmeckt nach Tiefkühltruhe, die Sahne heißt hier mittlerweile Sahne und nicht Schlagobers und kommt nicht frisch geschlagen mindestens aus dem Glas , sondern aus der Dose – das allerdings so reichhaltig, dass ich mir hinter der Hütte neben dem Holzvorrat einen ähnlichen Unterstand für volle und leere Sahnedosen vorstelle. Auf meinem Teller versteckt sich der Industrie-Strudel unter einem Berg makellosen Kunstschnees, im Übrigen verfügt die Gemeinde Alberschwende mittlerweile tatsächlich über einige Schneekanonen.

 

Und dann die Kinder – sie können doch kaum laufen, windelbepackt, was allerdings in den

fetten Schneeanzügen  nicht weiter auffällt, und noch kaum einer Sprache mächtig, da stehen sie auf kleinen Skiern und rasen einfach so den Berg hinunter, manchmal angebunden an die Eltern, mit einer richtigen Laufleine, damit sie auch ohne Rettungsflieger widerauffindbar bleiben.

Der Piefke staunt und fährt zurück per Lift ins Tal, bestaunt nicht nur von der Terrasse, sondern besonders von den entgegenkommenden, hinauffahrenden Ski-Läufern, fast ausschließlich Einheimische, die mittlerweile doch ziemlich fertig aussehen.

Bei Irmi lerne ich dann ein wenig das Käs-Spätzle-Handwerk mit Teighobel und Bergkäse und nehme mir vor, zu Hause all das zu verarbeiten, was ich hiermit tue...

 

Siebeneinhalb Stunden dauert die Fahrt im Transalpin-Express durch Tirol und an Innsbruck und Linz vorbei bis Wien. Der schweizerische Speisewagen ist auch nicht mehr das, was ihm als Ruf vorauseilt und in der ersten Klasse drängen sich viele erziehungsresistente Raucher auf wenigen Plätzen und wenn dann auch noch die Beinfreiheit nicht stimmt, dann ärgert sich der Piefke schon über das Preis-Leistungs-Verhältnis. – Ist aber doch schwiiezerisch, der Zug,  gibt  Kamerad Schnürschuh zurück, Recht hat er, aber – nun gut.

 

Die Konzerte in Bregenz und Alberschwende sind sehr gut besucht, sogar das Fernsehen dreht und der Rundfunk berichtet, und nun Wien:

Wien beehrt uns Kultur-Touristen mit einem Gastspiel im Roten Salon des noch ehrwürdigeren Volkstheaters – große Tradition und große Namen, fast so wie das Burgtheater oder die Hofburg und die Lipizzaner und Sissi und Franz Ferdinand, der Stefansdom und die Fiaker.

Auch gibt es hier noch den schmierigen  Anzug des mindestens so schmierigen Kellners im Cafe um die Ecke und das „Küss-die-Hand“ wie einst bei K&K, höchst lebendige Geschichte – aber, der Rote Salon mutiert doch etwas zur Yuppie-Location (ähnlich wie die Kunstsahne auf dem Brückelekopf), ganz cool und ganz international besetzt, überhaupt irgendwie besetzt wie unsere Garderobe von einer plötzlich hereinbrechenden Schulklasse. Der rote Salon ist ein richtiger Geheimtipp der Szene: Opernball-Kulisse und möglichst dabei sein müssen, wenn unser Grand-Prix-Teilnehmer von `97 mit Deutschen zusammen (also auch wieder international besetzt) Randy Newman interpretiert.

Das Konzert ist spät um halb elf angesetzt, nach der Theatervorstellung, gewissermaßen Chill-Out-Atmo, die Soundanlage ist grauenhaft, das Konzert artet in Arbeit aus und die österreichischen Musikkollegen sind ganz cool, dazwischen Teile des Wiener Lippenstift-Clubs und einige verirrte Schauspieler und Bühnenarbeiter, die uns und die ganze Szenerie wie durch ein Opernglas betrachten. Die Szene könnte auch gleich in Berlin, Paris oder Sydney spielen, ausgenommen und den Abend rettend Georges wohltuend „normale“ Verwandtschaft.

 

Im unbeleuchteten Flur eines alten Wiener Mietshauses tapern zwei Musiker an der führenden Hand eines blinden Freundes, Piefke und Kamerad Schnürschuh in alberner Verzückung, das Licht klackert wieder an, Rollenspielwechsel: wer führt hier eigentlich wen ?

 

Wir reisen ab – und kommen wieder !

 

Liebe Silke, viele liebe Grüße aus Wien.  Habe gerade ein super-schönes Konzert bei Sissi und Franz-Josef gehabt-der Hof war begeistert.  Hoffe, Dir geht es gut. Alles Liebe, Dein Richard